Wald statt Asphalt
Seit einer ganzen Weile setze ich mich gegen den Weiterbau der A49 ein, pendle zwischen Göttingen und dem Danni, verbringe viel Zeit im Wald und muss mich in all dem aufkommenden Frust, dem Unverständnis über diese Ungerechtigkeit und die mangelnde Voraussicht der „Bauherren“ ständig daran erinnern, wozu ich mir das alles antue: Für eine bessere Welt. In der Überzeugung, dass wir selbst einstehen müssen für unsere Ideale, Hoffnungen und Träume. Und dafür, dass mir meine zukünftigen Kinder inmitten der Klimakrise nicht vorwerfen können, ich hätte nichts dagegen unternommen. Ich denke, darin liegt die Verantwortung die jede*r von uns in dieser privilegierten, westlichen Welt trägt: dass man auf seine Mitmenschen, die Natur und die Tiere achtet, dass man sich auch mal gegen das bestehende System stellt, wenn einem etwas nicht gefällt und das Mensch verstehen muss, dass wenn es irgendwann keine Menschen mehr auf diesem Planten geben wird, es trotzdem noch Wälder geben wird und neue entstehen werden. Der Planet und seine Wälder können auch ohne uns leben, aber wir nicht ohne sie.
Endzeitstimmung
Drei Wochen nachdem ich diesen Artikel bis hierhin geschrieben habe, sitze ich in meinem WG-Zimmer, schaue auf den Baum vor meinem Fenster und bin wütend. Viel zu verteidigen gibt es im Danni mittlerweile nicht mehr. Von den ehemaligen 13 Baumhausdörfern stehen nur noch zwei. Die zunehmend größer werdende Schneise der Verwüstung reicht von Norden nach Süden und ist bald fertig gerodet. Ich bin total frustriert, während mir immernoch das tosende Geräusch der Harvester in den Ohren schallt. Der Wald war einer der friedlichsten Orte, an denen ich jemals sein durfte. Nun ist er seit Wochen von mehreren Hundertschaften der Polizei besetzt, die sich hinter meterhohen Stacheldrahtzaun am angrenzenden Feld verbarrikadiert haben. Bewaffnet mit Wasserwerfern maschieren SEK-Beamt*innen wie wildgewordene Irre durch den Wald und zerren die Aktivist*innen aus den Bäumen. Es wirkt wie eine Szene aus einem Endzeitfilm. Während sich ein grauer Schleier über den Wald gelegt hat, herrscht eisige Kälte und damit meine ich nicht den Schnee, der seit zwei Tagen auf den Waldboden fällt, sondern Folgendes: Aktivist*innen werden kriminalisiert, landen in Sammelunterkünften der Polizei oder in Krankenhäusern, weil Polizist*innen lebensgefährliche Unfälle verursachen und Wasserwerfereinsätze bei einstelligen Temperaturen auf der Tagesordnung stehen. Als Zeichen der Macht werden nun auch Elektroschocker eingesetzt. Es fühlt sich so an, als würde ein Krieg gegen die eigene Jugend geführt werden. Besorgte Bürgerinitiativen, eine wöchentliche Ü-60-Sitzblockade, Anwohner*innen aus der Umgebung und die Kirche stellen sich nun auch schützend vor die Aktivist*innen. Dies alles reicht aber nicht aus. Der Danni ist zu einem generationsübergreifenden Symbol geworden, ein Symbol für eine dringende Verkehrswende, für eine Abkehr von der rücksichtslosen, kapitalorientierten Industrie-gesellschaft und für eine klimagerechte sowie nachhaltige Zukunft. Ich bin enttäuscht, weil ich es nicht verstehen kann, wie man aufgrund moralisch nicht vertretbarer Autobahnverträge mit unserer Zukunft bricht. Ich bin wütend, weil Die Grünen, während ich hier sitze und schreibe, ihre Kampagne für die Kommunalwahl 2021 starteten, mit dem erklärten Ziel: „für ein ökologischeres, mobileres, digitaleres und sozialeres Hessen“. Ich bin wütend, weil der Bau dieser Autobahn keine demokratische Entscheidung war. Auch wenn die CDU in Hessen 7.000 Unterschriften für den Ausbau der Autobahn gesammelt hat, zeigte sich in den letzten Wochen durch 245.000 Gegenstimmen ein großer Widerstand in der Gesellschaft. Letztendlich kann ich die nachfolgende Generation nur noch um Verzeihung bitten, weil wir den Planeten Erde und den Wald nicht zu schätzen wissen. Weil die Menschen, die in diesem Land etwas zu sagen haben, nicht zu würdigen wissen, was uns am Leben hält. Auch den Wald möchte ich um Verzeihung bitten, weil die Menschen so arrogant, rücksichtslos und unreflektiert mit ihm umgehen, nur um wirtschaftliche und machtpolitische Interessen durchzusetzen. Nun sitze ich hier und muss mir Mühe geben, nicht in einen Strudel aus Unverständnis, Ungerechtigkeit und Ohnmacht zu fallen. Ich werde weitermachen. Weil ich immer noch daran glaube, dass eine andere Welt möglich ist, und weil wir das der nächsten Generation schuldig sind.
Hier seht Ihr unsere Autorin Jana. Sie ist Mitte 20, studiert Bildungswissenschaft und kann bei umweltbezogenen und sozialen Problemen nicht wegschauen. Stattdessen muss sie handeln. Ihre Freunde würden über sie sagen, dass sie leckeres, veganes Bananenbrot backt und denkt, dass jeder etwas zu sagen hat, aber oft passt es ihr einfach nicht, wer das Sagen hat.
Schreibe einen Kommentar