Schwer im Kommen: Penis-Pics

#Sex #Seelenleben #Liebe

Ein Trend schwillt an: Wo Mann früher mit einem Blumenstrauß vor der Tür stand, fällt er heute mit einer Latte ins Haus – eine kleine Abhandlung über die Potenz von Penis-Pics und deren Auswirkungen auf die Libido der Frau. 

[Text: Fräulein Freud | Illustration: Roman Sawatzki]

 

 

Als es zum ersten Mal passierte, war ich noch vollkommen perplex. Ich fragte mich, welche Antwort in einem solchen Fall wohl angemessen wäre, aber mir fiel absolut nichts ein, das ich hätte erwidern wollen. Groß, glänzend und süffisant starrte er mir vom Bildschirm meines Handys entgegen und es gab nichts, das ich hätte tun können – außer vielleicht nicht mehr hinzusehen. Aber dafür war dieses Ding, das man, wie ich später herausfinden sollte, in Kennerkreisen als „Dick-Pic“ bezeichnet, dann irgendwie doch zu interessant.

Unverlangt eingesandt

Was mich am meisten faszinierte war die Tatsache an sich: Dass er es allen ernstes gewagt hatte, mir nach unserem zweiten Date, auf dem wir gerade mal zum Abschied geknutscht hatten, eine Nahaufnahme seines Schniedels in geradezu unflätiger Weise unter die Nase zu reiben – diese Dreistigkeit fand ich enorm und darüber musste ich erst mal nachdenken.

Als wir uns ein gutes halbes Jahr später zufällig in der Disco über den Weg liefen, war nicht er, sondern ich es, die rot wurde, was mir ungemein ungerecht erschien. Dementsprechend kurz war ich angebunden. Dennoch fühlte er sich zu späterer Stunde erneut dazu berufen, mir einen Gruß von seinem Ständer zukommen zu lassen. Was dachte er sich bloß dabei und vor allem: Was zur Hölle wollte er damit erreichen? Sollte mich sein Lötkolben in irgendeiner Form erregen? Erwartete er meine Hochachtung oder eine entsprechende Gegenleistung von mir? War das vielleicht der jämmerliche Versuch des entmachteten Mannes, es einer emanzipierten Frau wie mir recht zu machen, indem er in Vorleistung ging, um anschließend auf ausgleichende Gerechtigkeit zu pochen? Sollte ich seinen Übergriff gewissermaßen als einen Fortschritt der Gleichberechtigung betrachten? Oder wollte dieser Knilch mir einfach nur erneut vor Augen führen, was ich verpasst hatte, weil ich nichts mehr von mir hören und sehen ließ? Ich wusste es nicht und im Grunde genommen war es mir auch schnurzpiepe. Er hatte sich selbst ins Abseits katapultiert, und dort konnte er nun von mir aus rumdödeln, bis er weich wurde.

Wenn sich Penis-Pics potenzieren 

Doch irgendwie schien sich ein Tor zu einer neuen ominös-pornösen Welt eröffnet zu haben. Denn innerhalb der nächsten Jahre sollten seine unverlangt eingesandten Fotos von einigen weiteren rollig-prolligen Bockwürsten Gesellschaft bekommen, die ungebeten mein Mobilfunkgerät penetrierten. Also befragte ich Google. Dabei stellte sich heraus, dass dieses Phänomen mittlerweile sogar schon findige Frauen dazu angetrieben hatte, im Netz eine Art kostenpflichtigen Penis-Begutachtungsservice anzubieten. Offenbar herrscht also bei einigen Männern eine elementare Verunsicherung bezüglich ihres Gemächts, die sie mit zwielichtigen Gewissheiten abzumildern versuchen. Das ist dann wohl die Kehrseite der sexuellen Befreiung: neue Zwänge, die nach Entblößung verlangen, nach Schwanzvergleich und Penisneid, die Versagensängste hervorrufen und für Potenzprobleme sorgen.

Nur macht sich scheinbar immer noch kaum einer die Mühe, hintergründige Informationen über die Libido der Frau einzuholen, denn dann hätte Mann sich die ganze Dick-Pic-Geschichte auch sparen können. Hatte doch eine kanadische Studie aus dem Jahr 2007 mittels eines vaginalen Photoplethysmographen – eine Art Lichtdetektor, der die vaginale Durchblutung eruiert – bereits herausgefunden, dass Frauen durch die Fotos von hüllenlosen Männern ungefähr so scharf werden wie sauer lustig macht: null Komma null.

Denken hilft

Nun beginnt der Teil dieser Abhandlung, in dem manche Männer mit Dick-Pic-Fetisch wenigstens ein bisschen aufatmen können, da so ein Foto unter gewissen Umständen doch irgendwie heiß sein kann – nämlich dann, wenn es nicht allein kommt. Denn wie sich mittlerweile herumgesprochen haben sollte, geht es bei den meisten Frauen nicht in erster Linie darum, was untenrum dran hängt, sondern vor allem darum, dass auch obenrum was drin ist. Deshalb kann ein bisschen Grips im Zusammenhang mit Dick-Pics wahre Wunder bewirken, wie ich erst kürzlich bei einer virtuellen Liaison mit einem alten, zuvor nur platonischen Bekannten erfahren durfte. Selbiger war schlau genug, um seinem Penis-Selfie mit charmant-schmutziger Verbalerotik den Weg in meine Libido zu bahnen. Nachdem er mir anschaulich und anregend erklärt hatte, was er mit seinem Prachtexemplar zu tun gedachte und welch unfassbares Vergnügen er mir damit bescheren könnte, war ich tatsächlich gespannt genug, um sein Ding sehen zu wollen.

Cumshot

Liebe „Krone der Schöpfung“, Ihr habt nur diesen einen Penis und er wird nicht besser oder schlechter, wenn Ihr ihn auf fadenscheinigen Webseiten bewerten lasst oder einem nichts ahnenden weiblichen Wesen aufs Auge drückt. Er gerät höchstens unter Druck und verweigert Euch den Dienst. Macht stattdessen lieber das Beste aus dem, was Ihr habt, und lernt damit umzugehen! Und wenn Euer bestes Stück dann immer noch unbedingt fotografisch festgehalten und verschickt werden muss, dann gebt Euch gefälligst Mühe und denkt ein bisschen mit, wenn Ihr keine Abfuhr, sondern Applaus dafür ernten wollt.

 

 

MEINUNGEN AUS DER MENSCHENMITTE

Stefan, 30 Jahre:
»Ich habe noch nie ein Bild von meinem Penis verschickt und würde das allerhöchstens als Joke machen, weil ich es total plump und dumm finde. Was soll so ein Dick-Pic der anderen Person geben? Das funktioniert halt nicht so wie bei Männern. Ich glaube, wenn man einer Frau ein Bild von seinem Schwanz schickt, setzt nicht gleich ihr Gehirn aus.«

 

Der alte Bekannte des Fräulein Freud, 42 Jahre:
»Ich will, dass sie beeindruckt ist und überlege sofort, ob er passen könnte und wenn ja, in welcher Stellung. Im Idealfall wird sie bei seinem Anblick feucht.«

 

Judy, 40 Jahre:
»Ich habe mal so ein Foto bekommen und dachte, ich muss kotzen. Ich finde das einfach bloß richtig bescheuert und unter aller Sau. So nach dem Motto: Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute sinkt das Niveau unterirdisch! Sogar wenn es von meinem Freund wäre, würde ich ihn fragen, ob er einen Nagel im Kopf hat. Allerdings finde ich Penisse auch einfach nicht so geil anzusehen. Es ist zwar schön, einen zu haben, aber ich glaube, dass Gott bei uns Frauen alles gegeben hat und bei den Männern dann die Power raus war.«

 

Lisa, 26 Jahre:
»Warum sollten Männer nicht zeigen dürfen, was sie haben? Dann weiß man wenigstens, was auf einen zukommt und kauft nicht die Katze im Sack!«

 

Dennis, 37 Jahre:
»Ich habe schon Fotos von meinem besten Stück verschickt, aber nur, wenn ich vorher dazu aufgefordert worden bin – was bei Internetflirts durchaus schon passiert ist. Wenn man seinen virtuellen Gegenüber anheizen will, ist doch eigentlich nichts Böses dabei, oder?«

 

Helena, 30 Jahre:
»Ich fand das einfach sehr unangebracht, denn es war unaufgefordert. Es hat sich angefühlt wie eine visuelle Vergewaltigung.«

 

VONWEGEN: Wenn schon, denn schon!

Eine kleine Dick-Pic-Anleitung vom alten Bekannten des Fräulein Freud:

»Man sollte sich schon gut überlegen, ob man mit seinem Gemächt den steinigen Weg in die große, weite Welt des Internets antritt – selbst wenn man sich einfach nur mal einen frivolen Spaß erlauben will. Wichtig ist, in jedem Falle zu vermeiden, dass folgende Dinge auf dem Bild zu sehen sind: 1. zu viele Haare, 2. das Gesicht [hierbei werden Spiegel und spiegelnde Oberflächen gerne unterschätzt] und 3. die Urlaubskarte von Mutti mit dem problemlos ersichtlichen Klarnamen.«

 

PS: Dieser Artikel erschien erstmalig in der 3. Ausgabe des VONWEGEN-Magazins im Januar 2017.

 

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