Aktions-Recycling in der Universität

#Macht+Protest #Lokales #LebenLernen #Kultur

Vier Wochen nach der unangekündigten Sonderausstellung „Wissen schafft Handeln?“ im Forum Wissen vollzieht die Klimagerechtigkeitsbewegung „EndFossil“ ihren nächsten Schachzug: die Besetzung des Zentralen Hörsaalgebäudes der Göttinger Universität. Sowohl die Protestform als auch ihre Forderungen sind recycelt – laut den Aktivist:innen kam die Universitätsleitung letzteren nach der ersten Hörsaalbesetzung im Herbst 2022 nämlich nur in Trippelschritten entgegen.

[Text: Marie Bullerschen | Fotos: Hendrik Bammel]

EndFossil: Occupy! besetzt das ZHG

Gestern Nachmittag, am 10. Mai, zog die Göttinger Ortsgruppe der Klimagerechtigkeitsbewegung „EndFossil: Occupy!“ [ab hier: EndFossil] in zwei Hörsäle im Zentralen Hörsaalgebäude [ZHG007 und ZHG008] der Universität ein. Die Aktion ist Teil der internationalen Besetzungswelle „Mai der Besetzungen“, die bereits u.a. Universitäten in Berlin, Aachen und Bielefeld sowie in Göttingen vor wenigen Tagen auch das Otto-Hahn-Gymnasium erfasst hat. EndFossil fordert: Schulen und Universitäten sollen ihrer Verantwortung als Bildungsstätten gerecht werden und die Lernenden auf die Bewältigung der Klimakatastrophe vorbereiten.

Recycling der Protestform

Die Aktion folgt ganz im Sinne der Nachhaltigkeit dem Prinzip „Recycling“: Schon einmal – im Oktober 2022 – wurde der größte Hörsaal des Zentralcampus der Georgia Augusta besetzt. Diesmal nutzen die Aktivist:innen sogar zwei Säle für ihr Anliegen: Es gehe darum, so die EndFossil-Aktivistin Judith Stier, der Klimakatastrophe wortwörtlich „einen Raum zu geben“, denn das Thema sei in der universitären Lehre bisher kaum präsent. EndFossil hat deshalb ein eigenes Programm, bestehend aus einem breiten Angebot an Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden rund um das Thema „Klimakrise“, auf die Beine gestellt. Daran teilnehmen sollen allerdings nicht nur Student:innen, sondern „ausdrücklich alle, die sich für die Problematik interessieren“, so Judith Stier. Recycelt wurde außerdem die vor wenigen Wochen von EndFossil im Forum Wissen präsentierte Sonderausstellung „Wissen schafft Handeln?“. Diese kann seit Mittwoch im Foyer des ZHG besucht werden.

Upcycling der Forderungen

Gleichgeblieben sind auch die Forderungen der Aktivist:innen an die Universität. Erfüllt wurden davon bisher nämlich nur wenige – und das obwohl, so Judith Stier, das Universitätspräsidium angekündigt habe, sich zumindest einem Teil der Forderungen anzunehmen. Deshalb trägt die Klimagruppe zwar dieselben, diesmal jedoch konkreter formulierte Ansprüche an die Entscheidungsträger:innen der Universität heran. Hauptadressat:innen sind die Mitglieder des Präsidiums und des Senats. Diese sollen sich stärker für eine klimagerechte Forschung und Lehre und die bauliche sowie betriebliche Klimaneutralität der Universitätsgebäude einsetzen. Auch das Thema „Arbeitsbedingungen an der Universität“ und „Finanzierung“ greifen die Aktivist:innen in ihren Forderungen auf: Laut den Besetzer:innen könne nämlich nur eine „sozial gerechte Gesellschaftsordnung […] dauerhaft ökologisch nachhaltig sein“ sowie eine klimagerechte Zukunft nur durch eine verantwortungsbewusste Nutzung von Finanzmittel erreicht werden kann.

Die zweite, aber nicht die letzte Besetzung

Außerdem erhofft sich EndFossil durch die Aktion einen breiten Zuwachs für die Klimagerechtigkeitsbewegung. Die eher träge Ergreifung von Maßnahmen seitens der Göttinger Universität zeige wie unter einem Brennglas, wie die Klimakatastrophe gesamtgesellschaftlich diskutiert werde: zu wenig und vor allem ohne ein Angebot konkreter Handlungsanweisungen. Um möglichst viele Menschen politisch zu aktivieren und den Wandel in Richtung einer klimagerechten Welt einzuleiten, wolle EndFossil immer wieder Besetzungen oder ähnliche Aktionen durchführen und, so Judith Stier, „auf das Thema aufmerksam machen, bis endlich irgendwas passiert.“