Dieser Spot darf nicht sterben
#Lokales #Kultur
Wer der Ansicht ist, Dinner for One und From Dusk till Dawn seien Kult, hat noch nie den Werbespot von Hampe Recycling gesehen. Die Reaktionen der Zuschauer*innen lassen auch heute – über 30 Jahre nach seiner Entstehung – noch immer spüren: Wir haben hier in der Provinz einen Göttinger Rohdiamanten in der Kulturgut-Schatulle. Und dieser ist im Vorprogramm im Kino zu sehen. Aber woher kommt der Spot eigentlich? Wurde er entdeckt wie Amerika? Außerirdische? Eine Zeitreise in eine Epoche, in der Telefone noch Wählscheiben hatten.
[Text: Manfred Langer aka Manni]
Wir befinden uns im Sommer des Jahres 1992. Mein Interviewpartner Gerald Förster hatte wenige Wochen zuvor seine Tätigkeit für das Unternehmen Hampe Recycling aufgenommen und wurde gleich mit der Teil-Organisation eines Projektes betraut, das Geschichte schreiben sollte. Ein Spot musste her, um die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens noch nachhaltiger in den Köpfen der Göttinger Kinogänger:innen zu manifestieren. Eine spezialisierte Produktionsfirma war schnell gefunden: die Weischer Media aus Hamburg. Was damals auch noch niemand ahnte, geschweige denn wusste: Hampe Recycling sollte mit diesem Spot der älteste Bestandskunde der Weischer Media werden. Diese übernahm auch die Beschaffung der Lizenz für den Psycho-Soundtrack. Die Idee zur Storyline des Clips stammte damals von Dieter Hampe, dem der Gründer des Unternehmens. Drehort: das Nachbargrundstück. Zu diesem Zweck wurde eine Grube von derartiger Größe ausgebaggert, dass sich darin ein VW Polo verklappen ließ.
Das Drehbuch
Böser Bube [gespielt von Olaf Bierkamp] will sein altes Auto los werden. Hierzu gräbt er, begleitet von der Psycho-Filmmusik, ein Loch und schubst die Karre hinein. [Hierzu griffen ihm beim Dreh zwei Kollegen unter die Arme, die im Clip später weggeschnitten wurden]. Dabei wird der böse Bube von einer rüstigen Dame [gespielt von Maria Hampe, der Mutter von Dieter Hampe], auf frischer Tat ertappt. In der einen Hand hält sie ihren Gehstock, mit dem sie ihm auf die Finger klopft, in der anderen ein Telefonbuch. Hier: Großaufnahme des Telefonbucheintrags der Firma Hampe Recycling. Dann sind viele glückliche Männer zu sehen, die in Einkaufswagen Ersatzzeile über das Firmengeländer zur Kasse schieben. Die alte Dame sollte anfangs von einer Bekannten der Familie Hampe gespielt werden, die das hundertste Lebensjahr bereits erreicht hatte. Am Set stellte sich jedoch heraus, dass diese für derartige Eskapaden doch schon zu betagt und körperlich nicht mehr in der Lage war. Da das Filmteam aus Hamburg aber schon mit den Füßen scharrte, musste flink ein Ersatz her. So sprang Maria Hampe ein. Der gesamte Clip wurde an einem einzigen Tag abgedreht. Das Team der Weischer Media bestand vor Ort aus zwei Mitarbeitern, einem Lichttechniker und einem Kameramann. Der Lichttechniker habe damals immer wieder moniert, es sei zu dunkel, obgleich der Himmel den ganzen Tag über blau gewesen sei und sich an den Lichtverhältnissen auch nichts geändert hätte. Das habe damals niemand als der Lichttechniker selbst verstehen können. Ein dritter Mitarbeiter sprach später die Stimme aus dem Off ein. Und auch diese hat Kult-Status. Denn der Mann lispelt einen der Schlusssätze [„Autoteile zu konkurrenzlos günstigen Preisen“] derart verführerisch, dass man beinahe zu einem schwelgerischen „hach“ hingerissen wird. „“
Nicht die ersten
Seit damals berichteten mehrfach auch andere Magazine und Zeitungen über den Werbespot. Darunter finden sich neben den üblichen Verdächtigen wie der Hessisch Niedersächsische Allgemeinen [HNA] und dem Göttinger Tageblatts [GT] auch Exoten wie die Bayrische Staatszeitung und Das Kapital. In Letzterem wurde der Spot besprochen, weil er zeigt, wie man mit geringem Aufwand durchaus effektive Werbung gestalten kann. Und das bei Gesamtkosten von gerade einmal 7.000 Mark. Mark, nicht Euro! Deutsche Mark, das ist diese ulkige Währung mit Eichblatt und Gauß` Konterfei, die kurz nach dem zweiten Weltkrieg, also 2002, abgeschafft wurde. Das beachtliche Feedback zu dem Spot habe ihn, Herrn Förster, schon damals überwältigt. Die Lobeshymnen gingen so weit, dass ihn selbst der ehemalige OB Köhler auf einer Veranstaltung ansprach und forderte, dass der Spot „niemals aus dem Programm genommen werden dürfe.“ Sein Wille geschehe, wie im Himmel so im Cinemaxx, denn die Firma Hampe hat sich dazu entschieden, den Spot auch weiterhin im Programm des Kinos laufen zu lassen. Damit trägt das Unternehmen dazu bei, ein kulturelles Erbe unseres schönen Städtchens aufrecht zu erhalten. Wie breit aufgestellt Hampe Recycling hinsichtlich der Bereitschaft zu helfen ist, zeigt sich auch daran, dass sich die Firma umfangreich in der Ukraine-Hilfe engagiert. Herr Bierkamp ist noch heute im Unternehmen tätig und sieht, so Herr Förster weiter, „noch genau so aus wie damals“. Auf die Frage, was er den Menschen dort draußen und insbeson-dere jüngeren Generationen mitteilen möchte, zögert er keine Sekunde: „Bewusst zu leben. Die Ressourcen und die Welt nicht überstrapazieren. Flüge mit Bedacht buchen.“ Er selbst sei früher mehrfach im Jahr mit Ryan-Air nach Oslo geflogen. Dies mache er heute nicht mehr. Allgemein würde er sich von nachfolgenden Generationen wünschen, dass diese ihr Konsumverhalten mehr hinterfragen. Diese Aussage von jemandem zu hören, der seit drei Jahrzehnten die Recycling-Branche beobachtet, gibt ihr eine besondere Kraft. Und sie motiviert.
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