Kunst am Tresen und am Time Square

#Kunst #Kultur #Lokales #Graffiti

Ein Mann sitzt am Tresen. Neben und hinter ihm wird sich angeregt unterhalten. Doch an der Konversation nimmt er nicht teil. Was macht dieser Mann? Schreibt er oder dichtet er vielleicht sogar? Jedenfalls bewegt er routiniert einen Stift. Doch es ist kein Blatt Papier, auf das er die Farbe aufträgt. Es ist ein Bierdeckel. Der Mann heißt klekkso. Er kreiert quasi immer und überall kleine Kunstwerke und betreibt dabei auch noch Upcycling. 

[Text & Fotos: Raffael Siegert]

klekkso ist aus dem Göttinger Nachtleben nicht mehr wegzudenken. Am häufigsten begegnet man ihm im Dots und im Vinyl Reservat, manchmal auch im Deja oder in der musa. Einmal trafen wir ihn im Nörgelbuff, als er gerade eine Challenge mit sich selbst am Laufen hatte. Diese bestand darin, sich sieben Abende am Stück in Göttingen zu amüsieren und nebenbei unzählige Bierdeckel zu produzieren. Er sah sehr müde aus. 

  Der Mann am Tresen im Dots nennt sich klekkso und sein Name ist Programm.

Post-Graffiti-Upcycling

Auf seinen Bierdeckeln sieht man vor allem Striche – ein scheinbar wildes Durcheinander. Doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man Formen, die mehr sind als nur Gekritzel: Linien, die etwas Eigensinniges an sich haben und etwas anderes sind, als man auf den ersten Blick denkt. Dann hält klekkso inne und hört auf zu malen. Ein Gast spricht ihn an und zeigt sich interessiert an seiner Bierdeckel-Kunst. Es gibt eine kurze, freundliche Verhandlung und schon sind sie sich einig. Der Gast kauft gleich zwei seiner Bierdeckel-Werke. In seinem Atelier hat klekkso über 6.000 davon, ca. 500 sind am Tresen entstanden, der Rest überall und nirgendwo. Sein künstlerischer Stil lässt sich am ehesten dem Post-Graffiti zuordnen, das sich auf Aufkleber, Schablonen, Poster und anderen Interventionen im öffentlichen Raum bezieht. Auch klekksos kreatives Schaffen umfasst noch mehr als die Bierdeckel-Veredelung. Manchmal tobt er sich auch auf Leinwänden aus, aber meistens sind es Gegenstände aus seiner Lebenswelt, wie die besagten Bierdeckel, aber auch Trading-Karten von Magic the Gathering oder alte Schallplatten-Cover sind vor ihm nicht sicher. Ein wiederkehrendes Merkmal seines Stils ist das „Upcycling“ – also bereits ausgediente Gegenstände, denen er mit seiner Kunst eine neue Bedeutung, einen neuen Lebenszyklus und Kontext beschert. Manche Menschen tragen Hoodies mit einem Aufdruck von klekksos bemalten Bierdeckeln. Eine Göttingerin hat damit sogar schon mal die Welt bereist. Die Hoodies und auch Jute-Beutel und Buttons lässt er bei unseren Freund*innen im Flockhaus drucken. Dort kann man sie übrigens auch erwerben.

  Sein Ding: schnöde Bierdeckel mit viel Liebe und ein bisschen Besessenheit in kreative Kneipenkunst­werke verwandeln.

Von  der  Theke  zum  Time Square

Beim Graffiti geht es darum, seinen eigenen Namen bzw. seine „Tags“ möglichst weit zu verbreiten, weshalb sich Züge und Straßenbahnen als fahrende Leinwände zur Königsdisziplin herauskristallisiert haben. Bei klekkso sind es die Bierdeckel, die anstelle eines Zuges in der Welt unterwegs sind. So kam es, dass seine Werke unlängst auf dem Time Square erstrahlten. Eine international agierende Galerie war auf ihn aufmerksam geworden, sodass klekksos Kunst auf eben jenen großflächigen Bildschirmen inmitten von New York gezeigt wurde.

Allgemeinhin sollte man sich vergegenwärtigen, dass es vor allem Kunst- und Kulturschaffende wie klekkso sind, die das Leben in einer Stadt und die Stadt als solche aufwerten. Selbiges lässt sich unter anderem anhand des Gentrifizierungs-Schemas erkennen: Erst kommen die Künstler*innen, die einen Ort hip und angesagt machen. Anschließend kommen die Yuppies, treiben die Mieten in die Höhe, und überteuerte Restaurants siedeln sich an. Allerdings sollte Göttingen lieber von weiterer Gentrifizierung absehen, denn  die Mieten sind sowieso schon viel zu hoch. Doch die Kunst, der Eigensinn und Künstler*innen wie klekkso braucht diese Stadt! Schließlich machen sie die Welt bunter und unsere schöne Stadt attraktiver.  

  Außerdem erfindet klekkso im Vinyl Reservat regelmäßig die Cover alter Platten neu, während seine nicen Homies vom HipHop-Stammtisch jeden letzten Freitag im Monat dem Freestyle-Rap frönen. Einfach mal hingehen und mehr sehen! Eintritt frei! 

 ↑ Hier seht Ihr einen kleinen Ausschnitt aus klekksos Bierdeckelkunst und den QR-Code zur Galerie. Wenn klekkso nicht malt, dann organisiert er übrigens auch heiße Breakdance- Battles und HipHop-Partys im Dots. Seine nächste Stylewarz-Show startet am 19. April um 20 Uhr. Mehr von ihm findet Ihr übrigens auch hier: Instagram@klekkso & flockhaus-shop.de/goettingen/klekkso 

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