Love yourself
and the rest will follow 

#Seelenleben #Lokales

In Zeiten, in denen es Schönheits­operationen für Muschis und Bleachings für Arsch­löcher gibt, scheint es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, sich selbst im Spiegel anzuschauen und nichts zu meckern zu haben. Das kann doch nicht gesund sein. Ein Plädoyer dafür, sich selbst zu lieben, anstatt seinen Körper zu bekriegen.

[Text: Vanessa Pegel | Fotos: Butterwillfly_Kamerakunst]

 

 

Wir schämen uns für Muttermale, Narben, Sommersprossen oder Pickel, krumme Zehen, große Zahnlücken, geringen Bartwuchs, Haare auf dem Rücken, üppige Hintern, abstehende Ohren, Dehnungsstreifen, Cellulite, schiefe Nasen und Zähne, kleine Brüste, runde Bäuche, hängende Pobacken und seit der Intimfrisur schämen wir uns sogar für unsere Muschis, aber wieso eigentlich? Warum lassen wir uns von oberflächlichen Kinkerlitzchen nicht nur die die Laune, sondern auch unser Selbstwertgefühl verderben? Weil es in Zeiten von Magermodels, Schönheitswahn, Selbstoptimierungsdruck und Intimfrisurzwang verdammt schwer fällt, mit sich selbst zufrieden zu sein. Aber wieso wollen wir eigentlich scheinbar um jeden Preis, wenn schon nicht „schön“, dann wenigstens „normal“ aussehen, obwohl es unsere vermeintlichen Makel sind, die uns so einzigartig machen? Wer entscheidet eigentlich darüber, was schön ist, und was soll das überhaupt sein, dieses „normal“? Ist eine außergewöhnliche Erscheinung nicht viel interessanter als der Durchschnittsmensch Maxi Mustermann?

Sei Du selbst, denn die anderen gibt es schon

Ständig jagen wir irgendwelchen vermeintlichen Schönheitsidealen hinterher und versuchen, jemanden zu verkörpern, der wir gar nicht sind, anstatt uns selbst schätzen und lieben zu lernen. Gegen diesen ganzen Wahnsinn wendet sich die Body-Positivity-Bewegung und ruft dazu auf, die Schönheit in unseren Besonderheiten zu erkennen. Die Göttingerin Anna Thomas hat sich dieser Bewegung angeschlossen und zeigt vom 13. Juni bis Mitte Oktober im Café Central in ihrem Projekt Embody Yourself die lebensfrohen Fotografien von echten Menschen wie Du und ich. „Ich glaube, dass uns schon von Kindheit an eingebläut wird, was wir ‚schön‘ zu finden haben und was nicht“, sagt Anna. „Das passiert ganz unbewusst durch die Medien, die Familie, Freunde in der Schule etc. Aber nur weil uns ein bestimmtes Menschenbild vorgeben wird, heißt das nicht, dass alles andere nicht existiert oder nicht schön ist. Mit meiner Fotoaktion möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es auf dieser Welt verschiedene Körper gibt, die sich alle unterscheiden und alle natürlich sind. Ich möchte erreichen, dass sie wertfrei betrachtet werden und so angenommen werden, wie sie sind, anstatt sie in Schubladen zu stecken und das Aussehen zu labeln.“ Anna wünscht sich, dass sich die Betrachter*innen vielleicht selber in den Bildern wiedererkennen und sehen, dass andere Menschen auch Dehnungsstreifen, Narben oder krumme Nasen haben und dass sie sich dadurch dann wohler in ihrer eigenen Haut fühlen.

 

#ba372a; ">#000000; ">Name: Anna Thomas#000000; "> | Eigenschaften: Extrovertiert, laut, verrückt, offen, freundlich, direkt, klar #000000; ">| derzeitige Tätigkeit: Masterarbeit über Homosexualität in Indien 

 

Lass los, was Dich festhält

Die Initialzündung, in die Body-Postivity­-Bewegung einzusteigen, entbrannte bei Anna nach einer Beziehung mit einem sehr oberflächlichen Partner, der sie oft mit gemeinen Witzen und Sprüchen auf ihre vermeintlichen Schönheitsmakel aufmerksam gemacht hat. „Das hatte ich mir viel zu lange gefallen lassen“, sagt Anna. „Irgendwann hat es mir dann zum Glück gereicht und mir ist klar geworden, dass ich meine Einstellung zu meinem Körper ändern muss, damit ich mir so etwas nicht mehr gefallen lasse und mir selbst genug wert bin, um oberflächliche Menschen nicht mehr in mein Leben zu lassen.“ Natürlich sind es nicht nur die anderen, sondern vor allem auch man selbst und sein eigener innerer Kritiker, die es einem mitunter schwer machen, seinen Körper zu akzeptieren und respektieren. Beobachtet man sich selbst beim Denken, stellt man möglicherweise fest, wie oberkritisch und oftmals schlichtweg gemein man zu sich selber ist. Das tut der Seele weh und das hat sie nicht verdient.

Love yourself and the rest will follow

Unter Selbstliebe versteht man die Annahme der eigenen Persönlichkeit mit allen Stärken und Schwächen, was keineswegs mit Narzissmus [Selbstsucht] und Überheblichkeit zu verwechseln ist. Denn ein Narzisst verhält sich egozentrisch gerade weil er sich nicht liebt, für minderwertig hält und daher permanent nach der Bestätigung und Bewunderung von Außen giert. Die Selbstliebe hingegen gibt uns die Chance, dem Leben im Einklang von Körper und Geist zu begegnen. Als wesentlicher Bestandteil des Selbstwertgefühls bestimmt die Selbstliebe nicht nur in hohem Maße unser Selbstbild und -bewusstsein, sondern dient uns auch als Basis für einen wertschätzenden Umgang mit anderen Menschen und unserer Umwelt. Erich Fromm geht sogar noch weiter und bezeichnet die Selbstliebe als Grundlage dafür, andere Menschen lieben zu können. 

Loslieben

Sich selbst so zu lieben, wie man ist und gut mit sich umzugehen – das ist wahrscheinlich schon mehr als die halbe Miete für ein zufriedenes Leben. Aber wie funktioniert das, wenn der Körper nicht zum Geist zu passen scheint? „Ich denke, am Anfang steht die Akzeptanz und durch sie kann die Selbstliebe entstehen“, sagt Anna. „Dazu ist es gut, wenn man sich einfach mal betrachtet – ganz neutral – und schaut, was man an sich selbst wirklich schön findet. Darauf sollte man sich anfangs konzentrieren. Danach kann man sich dann sozusagen Stück für Stück anschauen, was einem nicht so gut gefällt. In diesem Prozess wird es gute und schlechte Tage geben, aber am Ende kann es gelingen, sich wirklich gut kennen, akzeptieren und lieben zu lernen“, sagt Anna. „Das heißt leider nicht, dass man jeden Tag aufwacht und alles toll ist. Wie in der Liebe zu anderen, liebt man sich mal mehr und mal weniger, aber es ist wichtig, dass man nett zu sich ist. Außerdem ist es immer gut für die Seele, sich mit Menschen zu umgeben, die einen so akzeptieren, wie man ist. Ein weiterer Tipp ist, sich mal so zu betrachten wie jemanden, den man liebt und sich zu fragen: Was schätze ich an dieser Person am meisten? Gibt es Dinge, die ich an ihr eigentlich nicht so schön finde, aber gelernt habe, sie bei ihr zu lieben? Würde ich ihr Aussehen jemals als Grund nehmen, sie nicht mehr zu lieben? Ich denke, die meisten von uns merken dabei schnell, dass irgendwelche vermeintlichen Schönheitsmakel keine Rolle spielen.“ 

Erlaube Dir, zu sein

Das Leben ist zu kurz, um es sich schlecht zu machen oder machen zu lassen. Deshalb lohnt es sich, sowohl andere Menschen, die ständig an uns herum mosern, als auch unseren eigenen inneren Kritiker in ihre Schranken zu verweisen, anstatt sie an unserem Selbstwertgefühl nagen zu lassen. Denn schließlich ist die einzige Beziehung, die garantiert ein Leben lang hält, die Beziehung zu Dir selbst. Also lass los, was Dich festhält, und entfalte Dein wahres Potenzial! Sei dankbar für Deinen Körper, der Deinem Geist Flügel verleiht und Dir die Welt zeigt. Aber verlier Dich nicht zu sehr im Außen, sondern bring Deine Aufmerksamkeit immer wieder dahin zurück, wo es wirklich drauf ankommt: nach innen, wo Dein wahrer Kern ist. Nimm Deinen Körper an mit all seinen Stärken und Schwächen und erlaube Dir, Du selbst zu sein.

 

PS: Dieser Artikel erschien erstmalig in der 17. Ausgabe des VONWEGEN-Magazins im Juni 2019.

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