Der Freibad-Report

#Ausprobiert #Lokales #Sport

Als wir an den heißen Tagen nach Abkühlung suchten, tauchten wir in die Göttinger Freibadlandschaft ein, wo wir Handtücher hüteten, Baggern übten, beim Dreier unseren Spind-Schlüssel verloren und einmal mehr bewiesen, dass man nicht Badengehen kann, ohne nass zu werden.

[Text: Fräulein Freud]

 

Freibad-Lüge Nummer 1: „Wenn wir hier parken, steht unser Auto nachher im Schatten.“

Mittwochnachmittag im Juni, die Sonne brennt. Mein Kumpel Gunter und ich düsen mit seinem Mini [er weigert sich, Fahrrad zu fahren, denn er liebt sein Auto – zumindest bis es eine Woche später den Geist aufgibt] ins Parkbad Weende. Seitdem dieses Freibad im Jahr 2015 nur knapp seiner endgültigen Schließung entkommen konnte, weil sich engagierte Göttinger Bürger*innen laut und stark dafür eingesetzt haben und den Förderverein Freibad Weende e.V. gründeten, ließ sich die GoeSF davon überzeugen, das Schwimmbad in den Jahren 2016 bis 2018 komplett zu sanieren und modernisieren. Es ist mein erster Besuch nach dem Umbau, der auf den ersten Blick einen überaus gelungenen Eindruck macht und auf den zweiten eine besonders interessante Überraschung offenbart: eine Kletterwand, die aus einem der Schwimmbecken herausragt. Obwohl mich Höhenangstgeplagte das Bouldern, also das Klettern ohne Gurt an Felswänden oder künstlichen Kletterwänden, nie besonders interessiert hat, bin ich nun total scharf drauf, es auszuprobieren. Schließlich fällt man ja nass! Wir klettern los und schaffen es auf Anhieb bis nach ganz oben, bevor wir uns in das biologisch aufbereitete Wasser plumpsen lassen. Berauscht vom Adrenalin strebe ich nach Höherem, also begeben wir uns zum Sprungturm, der vom Einer bis zum Zehner alles zu bieten hat, was Amateur-Akrophobikern wie mich das Fürchten lehrt. Der Einer geht noch. Vom Dreier springe ich erst, nachdem mir, während ich zögerlich auf dem Sprungturm rumlungere, ein netter, kleiner Junge soviel Mut zuspricht, dass ich mir als nächstes den Fünfer vorknöpfen will. Doch dazu soll es an diesem Tag nicht mehr kommen, denn nach dem Dreier stellt Gunter aka Gu fest, dass er unseren Spint-Schlüssel verloren hat, obwohl er selbigen „wirklich sehr sorgfältig“ an seinem Handgelenk befestigt hatte, wie er nicht müde wird zu betonen. Weil wir nicht wissen, wie es nun weitergehen soll, suchen wir Rat bei der Bademeisterin, die unser Problem sofort in die Hand nimmt. Beherzt steigt sie auf den Sprungturm, schreit „Alle mal herhören!“ und sorgt in Nullkommanichts dafür, dass die gesamte Badegesellschaft im und rund um das Becken damit beschäftigt ist, unseren Spint-Schlüssel zu suchen. Eine schier unglaubliche Dynamik setzt ein und in kürzester Zeit haben wir ihn zurück. Herzlichen Dank an dieser Stelle noch mal an alle Beteiligten und besonders an die tolle Bademeisterin sowie den von ihr instru­ierten Badegast, der selbstlos in das verdammt tiefe Sprungbecken hinabtauchte, um unseren Schlüssel wieder an die Wasseroberfläche zu befördern und dafür nicht einmal ein Eis spendiert haben will! Ganz im Gegensatz zu uns, die sich nach diesem Schreck nun erst mal eine Portion knusprige Freibad-Pommes genehmigen, die besser nicht schmecken könnten. Während wir mampfen, beobachten wir fasziniert das Getriebe an den Trimm-Dich-Geräten. Als besonders spannend machen wir einen jungen Mann aus, den wir den „Klimmzug-King“ nennen, weil er ständig in der Nähe der Turn-Stangen herumlümmelt, aber erst in Aktion tritt  – und dann mit einer großen Portion Ehrgeiz –, wenn genügend Mädels in der Nähe sind, die ihn dabei sehen. Lieber Klimmzug-King, wenn Du das jetzt liest und Dich angesprochen fühlst, dann möchten wir Dir an dieser Stelle zu bedenken geben, dass Du Deine Masche abrunden könntest, indem Du dabei nicht nur den Gesichtsausdruck der Mädels, sondern auch Deinen eigenen nicht aus den Augen verlierst. 

Nachdem wir genug gesehen haben, würden wir uns gerne dem Volleyball-Spielen zuwenden, aber sind als „Hüter der Handtücher“, zu denen wir heute schon zum zweiten Mal von fremden Menschen auserkoren wurden, bis auf Weiteres unabkömmlich. So hat Gu genug Zeit, uns erst mal einen Volleyball zu besorgen, was an einem nicht sehr gut frequentierten Beachvolleyball-Feld gar nicht mal so einfach ist, aber im Nu von Gu bewältigt wird. Weil ich schon seit Jahren nicht mehr gebaggert habe, erweist sich das Ganze für Gu dann später als besonders anstrengend. Ständig donnern ihm meine unkontrollierten Bälle um die Ohren, sodass er immer wieder weite Wege in der prallen Sonne über sich ergehen lassen muss, um den Ball zurückzuholen. An dieser Stelle möchte vor allem Gu den abschüssigen Hang am Volleyball-Feld ausdrücklich bemängeln! Außerdem sucht man die Beachvolleyball-Junkies, mit denen er im Naturerlebnisbad Grone immer abhängt, hier vergebens, deshalb stellt er mir die erst bei unserem nächsten Freibadbesuch vor. 

PS: Freibadlüge Nummer 1 kann sich an dieser Stelle als widerlegt betrachten. Wenn man wie Gu fährt und parkt, dann hat man auf jeden Fall einen Schatten.

Freibad-Lüge Nummer 2: „Ich creme mich gleich ein.“

Trotz elementarer Faulheit meinerseits überredet mich Gu an einem Sonntag Anfang Juli – den man übrigens für den heißesten Tag des Jahres erklärt, obwohl man zu diesem Zeitpunkt offensichtlich keinen blassen Schimmer hat, wie heiß es noch werden wird – ins Naturerlebnisbad Grone zu fahren. Aufgrund der Hitze ist mir ganz schwummrig, als ich dort ankomme, sodass ich schon glaube, meinen Augen und Ohren nicht trauen zu können, als sich mir am Beachvolleyball-Feld nice Reggae-Musik und heiße Boys offenbaren. Ich bin froh über den Schatten der vielen großen Bäume, wo Gu unser Lager aufgeschlagen hat und mir tatsächlich Freibad-Lüge Nummer 2 über die Lippen huscht. Doch nun stürzen wir uns erstmal auf die stylische Mehrpersonen-Stahlrutsche, auf der wir nebeneinander in das kühle, chlorfreie Nass rutschen und fast zeitgleich eintauchen. Als Nächstes nehmen wir uns das tiefe Becken vor, welches Gu in seiner späteren Freibad-Bewertungs-Sprachnachricht an mich wie folgt protokolliert: „Das etwas kühlere und daher bei heißem Wetter noch erfrischendere Hauptbecken ist für ambitionierte Schwimmer*innen vielleicht nicht ganz so gut geeignet, weil nur wenig Bahnen vorhanden sind und viel kreuz und quer geschwommen wird. Immerhin hält einen der Sprungbetrieb nicht großartig vom Schwimmen ab, denn hier gibt es nur einen Drei-Meter-Turm.“ Diese Tatsache stellt sich mir zu meiner eigenen Verwunderung als bedauerlich dar, während wir im Becken herumplanschen und ich mich redlich, aber leider ohne Erfolg bemühe, Gu unterzutauchen.

Freibad-Lüge Nummer 3: „Heute schwimme ich aber wirklich mal ein paar Bahnen.“

Nachdem wir keine Bahnen geschwommen sind und ich mich immer noch nicht eingecremt habe, sehe ich Gu und den anderen heißen Boys auf unserer Wolldecke liegend beim Volleyball-Spielen zu, während ich mir fest vornehme, das Baggern zu üben. „Die Beachvolleyball-Bedingungen sind“, dem Volleyball-Guru Gu zufolge, „mit insgesamt vier Feldern optimal. Erfreulicherweise verhindern die in der Hecke versteckten Zäune, dass man zu lange laufen muss, um vielleicht mal daneben gegangene Bälle zurückzuholen“, spricht Gu vor mir stehend in sein Mobiltelefon, um mir Mut zum Mitspielen zu machen, aber ich muss mich gleich erstmal eincremen. Vorher nehme ich allerdings noch das riesige Hüpfkissen näher in Augenschein. Dazu der O-Ton von Gu: „Das Hüpfkissen bietet für große und kleine Gäste viel Freude.“

Freibad-Lüge Nummer 4: „Dieses Mal keine Pommes.“

Wenn man mich fragt, dann sind die Pommes im Naturerlebnisbad Grone leider nicht so gut wie die im Parkbad Weende. Dafür läuft laut Gu, der dieses Mal übrigens lieber mit seinem hässlichen Leihwagen angereist ist, anstatt wie ich seinen Drahtesel zu bemühen, die Sache mit dem Parken in Grone besser. „Parkmöglichkeiten sind aufgrund des mitgenutzen, benachbarten Fußballfeldes ausgiebig, reichhaltig und ausreichend vorhanden“, lässt er mich in einer seiner diesbezüglichen Sprachnachrichten wissen.

Freibad-Lüge Nummer 5: „Eingecremt habe ich mich schon.“

Zum Freibad am Brauweg fahre ich wieder mit dem Fahrrad, aber dieses Mal nehme ich meinen Homie Siggi mit. Es ist so unfassbar heiß, dass wir schon nass sind, bevor wir im Schwimmbad ankommen. Nachdem ich meine gesamten Konzentrations-Kapazitäten dafür aufgebraucht habe, mir am Automaten eine Sparcard zu kaufen, scheinen mir am Drehkreuz ein bisschen die Sinne zu schwinden. Als ich schon durch bin und meine Sparcard zum zweiten Mal in den Schlitz schiebe, um Siggi Einlass zu gewähren, bin ich mir unsicher, ob sie auch wirklich funktioniert hat und probiere – natürlich ganz ohne nachzudenken – das Drehkreuz aus. Und siehe da: die Sparcard hat funktioniert! Nur leider steht Siggi immer noch draußen, was ich sehr bedauere und ihn dazu veranlasst, sportlich über das Drehkreuz zu springen. An dieser Stelle mögen sich bitte alle Menschen an ihren eigenen Kopf fassen, die in der langen Schlange hinter uns standen und Ihr wisst schon was gedacht haben! Wir – oder besser gesagt ich – waren lediglich ein bisschen schusselig! Aber peinlich war es doch. Deshalb suchen wir nun lieber schnell in der Enge dieses brechend vollen Freibads das Weite. Dank Siggis Pfadfindergen machen wir zwischen all den Handtüchern [von denen wir kein einziges hüten sollen] tatsächlich noch ein schönes Plätzchen unter einem Baum ausfindig. Weil der 10-Meter-Sprungturm hier im Freibad am Brauweg viel höher ist als im Parkbad Weende [Freibad-Lüge-Spezial für Akrophobiker], springen Siggi und ich lieber erstmal vom Beckenrand in das unglaublich lange 50-Meter-Becken, um nun tatsächlich mal ein paar Bahnen zu schwimmen. Danach essen wir keine Pommes, aber ein Eis und hätten beinahe keine geraucht, weil wir Schusseligen den Tabak zuhause vergessen haben. Doch die supernette Frau am Freibad-Kiosk hat Verständnis für unseren schmählichen Schmacht und schenkt uns zwei Zigaretten. Während wir qualmend in der Sonne sitzen bin ich froh, dass ich mich schon eingecremt habe, als mir die sechste große Freibad-Lüge aus dem ZEIT-Magazin wieder einfällt: 

Freibad-Lüge Nummer 6: „Wasserfest.“

 

PS: Dieser Artikel erschien erstmalig in der 18. Ausgabe des VONWEGEN-Magazins im August 2019.

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